Jodmangel, Lernschwierigkeiten, ADHS

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Jodmangel in Europa

Krakow, 2018: Europäische Wissenschaftler präsentieren ihre Ergebnisse zum aktuellen Stand von Jodmangelerkrankungen, die innerhalb des Projekts EUthyroid entstanden sind. Sie befürchten, dass bis zu 50 % aller Neugeborenen in Europa wegen eines Jodmangels ihr volles kognitives Potenzial nicht erreichen, folglich z. B. Lernprobleme in der Schule durchmachen müssen, und sind über das mangelhafte Engagement der politischen Akteure Gegenmaßnahmen zu ergreifen besorgt.

Mit der Krakow Declaration on Iodine fordern sie dazu auf Maßnahmen umzusetzen, die dem verbreiteten Jodmangel entgegenwirken. Dazu gehört z. B. die Vereinheitlichung der Salzjodierung, die behördliche Zulassung für jodiertes Tierfutter und die Überwachung der Jodierungsprogramme. Seit Jahrzehnten fordert die WHO eine regelmäßige Kontrolle der Jodversorgung in der Bevölkerung, um den Jodmangel in Europa zu beseitigen. Dennoch erfüllen nur acht Länder in der EU diese minimale Anforderung. Weltweit sind die Folgen des Jod-, Eisen- und Vit.-A-Mangels v. a. in Entwicklungsländern, nach wie vor gravierend (Stichwort: hidden hunger).

Jod während der Schwangerschaft

„Schwerwiegend sind die Auswirkungen eines Jodmangels ab der Schwangerschaft bis zum zweiten Lebensjahr auf die Gehirnentwicklung von Feten, Säuglingen und Kleinkindern“, erklärte der Berliner Kinderendokrinologe Dr. Liesenkötter auf dem Kongress für Kinder- und Jugendmedizin 2019 in München. „Ein Jodmangel ist besonders in dieser kritischen Phase mit ADHS und verminderter kognitiver Leistungsfähigkeit der Kinder assoziiert.“ Aborte, Fehlgeburten, mentale Defizite, Schielen, Schwerhörigkeit und Entwicklungsverzögerung können bei Feten und Säuglingen unter Jodmangel auftreten. Im Säuglingsalter und in den ersten beiden Lebensjahren ist eine gute Jodzufuhr also weiterhin wichtig, weil in dieser Zeit die Reifung zentralnervöser Strukturen ausgeprägt ist.

Eine adäquate Jodversorgung seitens der Mutter ist bereits in der frühen Schwangerschaft von zentraler Bedeutung: Einerseits für die mütterliche T4-Synthese und andererseits für die Jodversorgung des Embryos. Ein schwerer Jodmangel kann beim werdenden Kind irreversible Gehirnschädigungen verursachen. Allerdings kann auch ein milder bis moderater Jodmangel Störungen der Gehirnentwicklung, eine Beeinträchtigung des IQ und Hördefekte hervorrufen. Diese Zusammenhänge werden Müttern gegenüber zu wenig thematisiert!

Raise the world’s IQ!

Kinder und Jugendliche sind unter Jodmangel möglicherweise von Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose), Lernschwierigkeiten und verspäteter Pubertät betroffen. Bereits ein milder/moderater Jodmangel erhöht bei ihnen das Risiko, nicht die volle geistige Leistungsfähigkeit zu entwickeln. Studien bei Schülern mit Jodmangel konnten dies nachweisen. Ein milder/moderater Jodmangel betrifft nach aktuellen Zahlen (2019) 58 % der Kinder in Deutschland und hat gegenüber 2007 zugenommen (damals 42 %). Allgemein gilt der Jodmangel als die häufigste vermeidbare Ursache für mentale Retardierung weltweit – oftmals im Zusammenhang mit einem gleichzeitigen Eisenmangel! Es besteht also weiterhin großer Bedarf an Prävention und Aufklärung – um es mit dem Slogan des Iodine global network zu sagen: raise the world’s IQ!

Diagnose Jodmangel

Die Jodversorgung kann in µg/l über den Urin gemessen und je nach Ausscheidungsrate ermittelt werden. Diese Untersuchung bietet sich im Rahmen einer Schilddrüsendiagnostik an und kann über die Praxis durchgeführt werden.

Empfehlungen für die tgl. Jodzufuhr der DGE in µg

AlterDeutschland, Österreich
0 bis < 4 Mo.40
4 bis < 12 Mo.80
1 bis < 4 J.100
4 bis < 7 J.120
7 bis < 10 J.140
10 bis < 13 J.180
13 bis < 51 J.200
51 und älter180
Schwangere230
Stillende260

Keine Jod-Überversorgung

Gegenwärtig führen alle herkömmlichen Jodquellen (Jodsalz, Milchprodukte, gelegentliche Fischmahlzeiten) zu keiner Überversorgung – 2007 wiesen lediglich 4 % der Kinder/Jugendlichen eine übermäßige und in der Regel unproblematische Jodausscheidung vor. Nur der regelmäßige Verzehr von Seafood (Algensalat, Sushi, Meeresfisch), wie es traditionell in der japanischen und koreanischen Küche üblich ist, kann die Jodzufuhr stark erhöhen. Algen reichern Jod im Milligramm-Bereich an (bei Schilddrüsenerkrankungen nicht zu empfehlen). Damit beträgt die tägliche Jodzufuhr der Japaner geschätzte 5-15 mg. In Anbetracht dessen erscheinen die Zufuhrempfehlungen europäischer Ernährungsgesellschaften wie „Erbsenzählerei“.

Weitere empfehlenswerte Informationen: Arbeitskreis Jodmangel