Das Prädiabetes-Problem

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Seit Jahrzehnten wird in den Industrieländern eine stetige Zunahme des Diabetes mellitus Typ II beobachtet. Derzeit sind mehr als 8 % aller Deutschen wegen dieser Stoffwechselerkrankung in ärztlicher Behandlung. Das ist soweit nichts Neues. Wenig Beachtung findet die Tatsache, dass einer Manifestation des Typ-II-Diabetes viele Jahre vorausgehen, die durch einen gestörten Zuckerstoffwechsel gekennzeichnet sind, selbst bei normalen Nüchternblutzuckerwerten (Nüchtern-BZ). Dieser Prädiabetes lässt sich anhand der Risikofaktoren und labordiagnostischer Untersuchungen diagnostizieren und therapieren. Insofern ist ein späterer Typ-II-Diabetes absolut vermeidbar.

Der Prädiabetes wird in der Medizin gleichgesetzt mit dem sogenannten Metabolischen Syndrom, das sich durch folgende Kriterien definiert:

  • Übergewicht
    • besonders stammbetonte Körperfettverteilung
    • Taillenumfang > 94 cm (Männer), > 80 cm (Frauen)
  • Zuckerstoffwechselstörung: 15-20 % der Erwachsenen
    • Nüchternblutzucker: > 100-110 mg/dl
    • Hyperinsulinämie: erhöhte Insulinwerte
  • Fettstoffwechselstörung
    • Triglyceride > 150 mg/dl
    • LDL > 120 mg/dl
  • Bluthochdruck: systolisch > 130 mmHG

Im Zentrum des gestörten Glukosestoffwechsels steht die Insulinresistenz. Das bedeutet, dass die Insulinrezeptoren der Zellen nicht mehr auf das Insulin reagieren und keinen Zucker aufnehmen.

Ursachen/Risikofaktoren

  • Überernährung und Bewegungsarmut
    • viele Kohlenhydrate und Fette
  • Adipositas
    • je mehr Fettgewebe vorhanden ist, desto größer ist das Risiko der Insulinresistenz und der Leberverfettung
    • erhöhter Taillenumfang erhöht das Risiko für Prädiabetes: > 102 cm (Männer) und 88 cm (Frauen)
  • ansteigendes Alter und Vorkommen in der Familie
  • Schwangerschaftsdiabetes: erhöhtes Risiko für späteren Typ-II-Diabetes
  • Mikronährstoffmängel: Magnesium, Vit. D, Zink etc.
  • Stress
  • Medikamente: Cortison, Statine

Diagnose

  • Nüchtern-BZ: 60-100/110 mg/dl
    • Graubereich zwischen 100-110 mg/dl
    • Prädiabetes: 100-125 mg/dl
    • Diabetes mellitus: > 125 mg/dl
  • HbA1c (sog. Langzeitzucker)
    • Referenzwert < 5,7 %
    • 5,7-6,4 % = Prädiabetes
    • > 6,5 % = Diabetes mellitus

Der HOMA-Index: Kennen Sie Ihr Nüchtern-Insulin?

Die Bestimmung des Nüchtern-BZ ist üblich zur Bestimmung eines diabetischen Stoffwechsels. Jedoch können normale Werte bei erhöhtem Nüchtern-Insulin vorliegen, d. h. der Organismus befindet sich in der Insulinresistenz und kann nur über eine erhöhte Insulinausschüttung den Blutzucker regulieren. Es liegt also trotz eines normalen Nüchtern-BZ ein Prädiabetes vor. Entscheidend ist das Ausmaß der Insulinresistenz: Hinweisend ist ein erhöhtes Nüchtern-Insulin und ein niedriges Adiponektin.

  • HOMA-Index: Bestimmung des Nüchtern-BZ und des Nüchtern-Insulin
  • Adiponektin: Biomarker der Insulinresistenz
    • niedriger Spiegel bedeutet erhöhtes Risiko; bei Adipositas und Insulinresistenz
    • lässt sich durch Gewichtsabnahme und körperliche Aktivität erhöhen

Erhöhter Insulinspiegel (Hyperinsulinämie) und seine Wirkungen

Das Insulin aktiviert die Zellen zur Glukoseaufnahme über die Anbindung am Insulinrezeptor, sofern dieser sensibel ist. Darüber hinaus hat es einige interessante Wirkungen auf den Stoffwechsel, die bei Hyperinsulinämie negative Folgen haben:

  • aktiviert die Cholesterinsynthese durch die Leber
  • Steigerung der Triglyzeridsynthese aus Kohlenhydraten in der Leber und im Fettgewebe („Insulinmast“)
  • Hemmung der Glukosebereitstellung durch die Leber; diese Wirkung unterbleibt durch die Insulinresistenz der Leber, wodurch vermehrt und unreguliert Zucker mobilisiert wird; infolge erhöht sich der Blutzucker zusätzlich

Therapie nach Ursache

Die Insulinresistenz ist reversibel! Sie lässt sich durch eine sinnvolle individuelle Kombination therapeutischer Maßnahmen rückgängig machen. Gewichtsreduktion ist, bei vorhandener Adipositas, eine wichtige Maßnahme, um den Zuckerstoffwechsel zu normalisieren.

  • Gewichtsreduktion
    • durch Bewegung: 50 % Ausdauer- und 50 % Krafttraining
    • durch Ernährungsumstellung: low carb
    • durch Kalorienrestriktion: Leberfasten, Intervallfasten
  • Mikronährstofftherapie nach Laborstatus: Magnesium, Zink, Chrom, Vitamin D etc.
  • ggfs. Schilddrüsenunterfunktion beheben
  • Stress reduzieren